Die Physik hinter der Fusion: So funktioniert das Sonnenfeuer auf der Erde
Die Kernfusion gilt als der heilige Gral der Energiegewinnung. Sie verspricht saubere, nahezu unerschöpfliche Energie – doch die technischen Herausforderungen sind gewaltig. Während herkömmliche Kernkraftwerke auf der Spaltung schwerer Atomkerne basieren, geschieht bei der Fusion das Gegenteil: Leichte Atomkerne – meist Wasserstoffisotope wie Deuterium und Tritium – verschmelzen zu Helium. Dabei wird eine gewaltige Energiemenge freigesetzt, genau wie es in der Sonne geschieht.
Der Grund dafür liegt in Albert Einsteins berühmter Formel E=mc²: Ein kleiner Teil der Masse geht bei der Fusion verloren und wird direkt in Energie umgewandelt. Klingt einfach, oder? Doch in der Praxis gibt es ein großes Problem: Die Atomkerne stoßen sich aufgrund ihrer positiven Ladung voneinander ab. Um sie zu verschmelzen, müssen extrem hohe Temperaturen von über 100 Millionen Grad Celsius erreicht werden – das ist fast siebenmal heißer als das Innere der Sonne!
Diese Hitze verwandelt den Wasserstoff in ein Plasma, einen Zustand, in dem sich Elektronen und Atomkerne frei bewegen. Doch wie hält man ein Plasma, das alles in seiner Umgebung sofort verdampfen würde, unter Kontrolle? Hier kommt die magnetische Einschlussfusion ins Spiel.
Tokamak oder Stellarator – zwei Wege zur Fusion
Wissenschaftler haben zwei Hauptkonzepte entwickelt, um das Plasma zu bändigen:
- Tokamak: Ein ringförmiger Reaktor, bei dem starke Magnetfelder das Plasma wie ein unsichtbarer Käfig umschließen. Das bekannteste Projekt dieser Art ist der internationale ITER-Reaktor in Frankreich. Der Vorteil des Tokamaks ist seine relativ einfache Geometrie, doch es gibt eine große Herausforderung: Die Stabilität des Plasmas ist schwer zu kontrollieren, und es kann zu plötzlichen Energieverlusten kommen.
- Stellarator: Diese komplexere Bauweise verdreht die Magnetfeldlinien auf eine raffinierte Weise, um das Plasma besser einzuschließen. Das bekannteste Stellarator-Projekt ist Wendelstein 7-X in Deutschland. Stellaratoren sind viel stabiler als Tokamaks, aber sie sind extrem schwierig zu bauen und benötigen hochpräzise Magnetstrukturen.
Beide Ansätze haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Doch der eigentliche Durchbruch könnte jetzt durch neue supraleitende Magnettechnologien kommen.
Der Wendepunkt: Magnetische Innovationen machen Fusion realistischer
Neue Entwicklungen in der Magnetfeldtechnologie könnten die Effizienz der Fusion drastisch steigern. Kürzlich ist es einem Team deutscher Forscher gelungen, ein Plasma nahezu energiepositiv zu halten – das bedeutet, dass mehr Energie erzeugt wurde, als für den Betrieb des Systems benötigt wurde. Das ist ein riesiger Meilenstein!
Dank leistungsfähiger Hochtemperatur-Supraleiter (HTS) lassen sich nun stärkere und stabilere Magnetfelder erzeugen, die das Plasma effizienter einschließen. Das könnte die Baugröße zukünftiger Fusionsreaktoren drastisch verkleinern und sie wirtschaftlich konkurrenzfähig machen.
Wann kommt der erste funktionierende Fusionsreaktor?
Weltweit laufen ehrgeizige Projekte, um die erste kommerzielle Fusionsanlage zu bauen.
- ITER (Frankreich): Der größte Tokamak der Welt soll in den 2030er-Jahren zeigen, dass Nettoenergiegewinn möglich ist.
- SPARC (USA): Ein privates Projekt, das mit neuen Magneten die erste kleine Fusionsanlage bereits bis 2025 in Betrieb nehmen will.
- Wendelstein 7-X (Deutschland): Der Stellarator wird weiter optimiert, um längere Plasmaentladungen zu ermöglichen.
Experten sind sich einig: Die 2050er könnten die Ära der ersten kommerziellen Fusionskraftwerke einläuten. Sollte es gelingen, wäre das der größte Energie-Durchbruch der Menschheitsgeschichte.