Comeback der Atomkraft? Warum Isar 2 kein Gamechanger wäre

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Die Debatte um eine mögliche Wiederinbetriebnahme des ehemaligen Atomkraftwerks Isar 2 nimmt wieder Fahrt auf. Während Bayerns Ministerpräsident entschlossen wirkt, das Kraftwerk aus dem Ruhestand zu holen, zeigen sich die Eigentümer skeptisch. Die technische, wirtschaftliche und rechtliche Hürde ist immens – doch selbst wenn das Vorhaben gelingen würde, wäre der Nutzen für die Energieversorgung begrenzt.

Ein jahrelanges Mammutprojekt statt schneller Lösung

Wer darauf hofft, dass Isar 2 innerhalb weniger Monate wieder ans Netz gehen könnte, dürfte enttäuscht werden. Der Zeitrahmen für die Reaktivierung wird auf drei bis vier Jahre geschätzt – etwa genauso lange, wie es dauern würde, ein neues Gaskraftwerk zu bauen. Allerdings sind Gaskraftwerke bewährte Infrastrukturprojekte mit etablierten Prozessen, während es für die Wiederinbetriebnahme eines stillgelegten Atomreaktors keine Blaupause gibt. Behörden, Betreiber und Technikexperten müssten sich auf unbekanntes Terrain begeben, was zu weiteren Verzögerungen führen könnte.

Träges Atomkraftwerk vs. flexible Gaskraftwerke

Während die Bundesregierung verstärkt auf wasserstofffähige Gaskraftwerke setzt, stellt sich die Frage, ob ein wiederbelebtes Isar 2 tatsächlich die Versorgungssicherheit verbessern könnte. Klar ist: Schnellstart-Kraftwerke sind essenziell, um Stromlücken auszugleichen, wenn Wind- und Sonnenenergie wetterbedingt ausfallen. Gaskraftwerke können innerhalb von 30 Minuten von null auf volle Leistung hochfahren, während ein Atomkraftwerk wie Isar 2 dafür mehrere Tage benötigen würde.

Das zeigt ein grundsätzliches Problem: Atomkraftwerke sind nicht flexibel genug, um das Stromnetz stabil zu halten. Vielmehr benötigen sie selbst ein stabiles Netz, um wirtschaftlich zu arbeiten. Das ist einer der Gründe, warum Atomstrom kein Ersatz für erneuerbare Energien ist, sondern eher als konstanter Grundlastlieferant fungieren würde – eine Rolle, die mit dem fortschreitenden Ausbau von Solar- und Windenergie zunehmend überflüssig wird.

Würde Isar 2 den Strompreis spürbar senken?

Theoretisch könnte ein zusätzliches Kraftwerk das Stromangebot erhöhen und damit die Preise leicht senken. Doch wie groß wäre der Effekt tatsächlich? Eine Studie des Ifo-Instituts hatte errechnet, dass eine Laufzeitverlängerung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke den Strompreis um etwa zwei Prozent hätte senken können. Bei einem einzigen Reaktor wie Isar 2 wäre der Einfluss entsprechend deutlich geringerunter einem Prozent.

Gleichzeitig wären die Kosten für die Wiederinbetriebnahme enorm. Während neue Gaskraftwerke mit einer Leistung vergleichbar zu Isar 2 etwa 1,5 Milliarden Euro kosten, wird für die Reaktivierung des Reaktors von „mehreren Milliarden“ ausgegangen. Wie lange Isar 2 danach noch laufen könnte, ist ungewiss – im Gegensatz zu Gaskraftwerken, die über mehrere Jahrzehnte genutzt werden können.

Klimaschutz: Ein kleiner Baustein in einem großen Puzzle

Ein Blick auf die CO₂-Bilanz zeigt, dass Isar 2 durchaus zur Reduzierung von Emissionen beitragen könnte. Läuft das Kraftwerk mit voller Kapazität, würde es jährlich so viel Emissionen einsparen wie zwei Drittel des gesamten Photovoltaik-Zubaus eines Jahres. Das ist ein beachtlicher Wert – aber auch kein revolutionärer. Denn mit jedem weiteren Ausbau erneuerbarer Energien wird der gesamtdeutsche Strommix ohnehin immer klimafreundlicher, sodass der Klimanutzen eines Atomkraftwerks stetig sinken würde.

Betrachtet man den gesamten deutschen Strommarkt mit einer Erzeugung von rund 500 Terawattstunden pro Jahr, könnte Isar 2 etwa zehn Terawattstunden davon emissionsfrei liefern. Das ist nicht unerheblich, aber im Verhältnis zur Gesamtversorgung kein entscheidender Faktor.

Mehr Symbolpolitik als echte Lösung

Die Wiederinbetriebnahme von Isar 2 wäre ein technisch, wirtschaftlich und politisch extrem aufwändiges Unterfangen, das voraussichtlich nicht schneller ginge als der Bau neuer Gaskraftwerke. Selbst wenn es gelänge, wären die Vorteile für die Versorgungssicherheit und die Strompreise überschaubar. Hinzu kommt, dass Atomkraftwerke nicht die Flexibilität bieten, die das heutige Energiesystem mit seinen volatilen erneuerbaren Quellen benötigt.

Letztendlich bleibt die Debatte über Isar 2 vor allem ein politisches Signal – eine symbolische Rückkehr zur Atomkraft in einer Zeit, in der Deutschland längst eine andere Richtung eingeschlagen hat.

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